Schkopau will kommunale Wohnungen verkaufen

 

Der Gemeinderat beschließt die grundsätzliche Sanierung der kommunalen Wohnungen.“ Das ist die noch gültige Beschlusslage in Schkopau seit April 2011. Jetzt, nur 4 Jahre später, soll dieser Beschluss nach dem Willen des Bürgermeisters und der Mehrheitsfraktionen im Gemeinderat (CDU + SPD) gekippt werden. Eine Vorlage der Gemeindeverwaltung sieht den Verkauf der Grundstücke Thomas-Müntzer-Straße 19 a-d und 25 a-d in Raßnitz sowie Bündorfer Str. 62 und 63 in Knapendorf vor. Das sind unsanierte Mehrfamilienhäuser aus den 60er und 70er Jahren mit insgesamt 64 Wohnungen. Damit steht rund die Hälfte der gemeindeeigenen Wohnungen auf der Kippe. Nur pro forma wurde als Alternative zum Verkauf auch der Antrag der Gemeinderatsfraktion DIE LINKE/Grüne auf Gründung eines kommunalen Eigenbetriebs zur Sanierung und Verwaltung aller gemeindeeigenen Wohnungen in die Vorlage mit aufgenommen.

Doch bereits die Vorstellung der Vorlage durch Bauamtsleiter Weiß auf der Sitzung des Hauptausschusses am 17. März machte klar, was die Verwaltung unbedingt durchdrücken will: Die Sanierung der Wohnungen in Regie der Gemeinde wurde anhand zweifelhafter Zahlen „schlecht gerechnet“. Als Alternative bleibt nur noch der Verkauf.

Schlimm war die Reaktion von Bürgermeister Haufe (CDU), der auf die Ausführungen unseres Fraktionsvorsitzenden, man solle das Tafelsilber nicht verscherbeln, entgegnete, es sei „abenteuerlich“, diese Gebäude als Tafelsilber zu bezeichnen. Auch aus der Reihe der CDU-Fraktion kam hämisches Gelächter bei dem Wort „Tafelsilber". Offenbar ist man sich darüber einig, dass diese Wohnungen nur noch Schrottwert haben und man sie deshalb besser heute als morgen abstoßen müsse. Leider war auch die SPD-Fraktion der Meinung, die Gemeinde könne sich nicht mehr mit diesen alten Wohnungen belasten.

Selbst eine Initiative unserer Fraktion, die die Zahlen der Verwaltung hinterfragt und somit erst einmal eine verlässliche Grundlage für eine Entscheidung schaffen soll, wurde von der CDU-Mehrheit glatt abgeschmettert.

Man ist sich offenbar darüber einig, dass die Gemeinde sich für die 0,9 Prozent der Einwohner, die in diesen Häusern leben, nicht stark machen sollte. Argumente dafür (und auch die fragwürdigen Zahlen, mit denen diese Wohnungen „schlecht gerechnet“ werden) stammen aus einem Papier der „Finanz- und Wirtschaftsberatung Dr. Winkler GmbH“ aus dem Jahr 2009. Diese Studie stuft die zur Diskussion stehenden Gebäude als „Poor Dogs“, also „Arme Hunde“ ein. Dieser Begriff ist aus dem Jargon der Börsenmakler entlehnt und bezeichnet Objekte, die weder eine „hohe Marktattraktivität“ noch ein „hohes Ertragspotential“ haben. Wörtlich steht in dieser Studie: „Auf die Gegebenheiten des Immobilienbestandes der Gemeinde Schkopau bezogen, bedeutet diese Aussage, dass diejenigen Wohngebäude, die im Poor Dog-Quadranten angesiedelt sind, vorzugsweise abgerissen oder verkauft werden sollen.“

 

Wir meinen: Die Bewohner dieser 64 Wohnungen sind keine Verfügungsmasse, deren Wohnungen man nach Börsenzockermanier beliebig verscheuern oder einfach abreißen kann. Das sind Menschen, die in diesen Wohnungen ihr Heim haben, die in unserer Gemeinde sozial verwurzelt sind. Menschen, von denen Viele lange hier gewohnt haben, die hier Steuern zahlen oder gezahlt haben. Auch Menschen, die keine Steuern zahlen können, weil sie arbeitslos geworden sind, weil sie in dieser unmenschlichen sozialen Mühle zu ALG II-Empfängern geworden sind oder weil sie nur eine geringe Rente beziehen, die keine viel höhere Miete möglich macht.

Wir meinen: Gerade für diese Menschen tragen wir, trägt die Gemeinde eine soziale Verantwortung. Und deshalb dürfen diese sozial geschützten Wohnungen nicht einfach als Spekulationsmasse „auf den Markt geworfen“ werden. Wir wollen, dass die Menschen, die oft schon seit Jahrzehnten hier wohnen, nicht durch gierige Heuschrecken wie die allbekannte GAGFAH aus ihren Wohnungen getrieben werden und vielleicht nach Halle-Silberhöhe ziehen  müssen. Wir wollen, dass auch junge Familien, die sich kein eigenes Haus leisten können, in unserer Gemeinde eine preiswerte Heimstatt finden. Wir sind uns sicher, dass eine reiche Gemeinde wie Schkopau die sozial verträgliche, vorsichtige Sanierung der Wohngebäude schafft, weil auch diese 0,9 Prozent der Bevölkerung wichtig und willkommen sind in Schkopau.

Wir glauben nicht, dass der „Weiße Ritter“, der uneigennützige Retter, kommt, der die Wohngebäude kauft, saniert und die Mieten gering hält. Im Gegenteil: Jeder Investor, der die Häuser kauft, will Profit sehen. Das heißt im Klartext: Immobilien in guter Lager werden luxussaniert und die angestammten Mieter hinaus geworfen. Bei weniger attraktiven Wohnungen werden nur die unbedingt erforderlichen Werterhaltungen und Sanierungen vorgenommen, die Mieten aber maximal erhöht. Ganz schlechte Erfahrungen dazu gibt es z. B. in Dresden. Dort wurden im Jahr 2006 alle kommunalen Wohnungen an die US-amerikanische Heuschrecke Fortress verkauft. Fortress brachte die Wohnungen in den Bestand des Immobilienkonzerns GAGFAH ein. Im Jahre 2011 klagte die Stadt Dresden gegen die GAGFAH, weil die im Kaufvertrag mit Fortress festgeschriebenen Sozialklauseln, z. B. über Mietpreisbindungen, verletzt worden waren. Dresden wurde mit wenigen Millionen Euro abgefunden, die Mieter zahlen weiter die überhöhten Mieten.

 

Wir werden die Mieter über den geplanten Verkauf informieren und sie nach ihrer Meinung fragen. Weil wir meinen, dass die Betroffenen, die bisher noch gar nicht gefragt worden sind, das letzte Wort über den Umgang mit ihren Wohnungen haben müssen.

 

 

Michael Teske

Vorsitzender Fraktion DIE LINKE/Grüne im Gemeinderat Schkopau